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Die Verlegung der Stolpersteine

Recht kurzfristig erreichte mich eine e-mail mit einer Pressemitteilung der Stolpersteine Berlin, die mich zur Verlegung der von meiner Familie gestifteten Stolpersteine für Maria und Hugo Heymann in der Berkaer Straße in Berlin einluden. Die Veranstaltung sollte demnach am Montag, 04.12.2017 um 9:15h stattfinden. Im letzten Moment konnte ich noch einen Flug buchen und freute mich auf die zahlreichen Menschen. Eine Vertreterin der Stolpersteininitiative begrüßte mich und teilte mit, dass nicht mit vielen Teilnehmern zu rechnen sei, da die meisten Interessierten, besonders der Medien bei der praktisch zeitgleich stattfindenden Verlegung in Neukölln erwartet werden, wo Rechtsradikale Stolpersteine gestohlen haben, die nun ersetzt werden.

Unter Anteilnahme nur sehr weniger Teilnehmer wurden die Steine am 04.12.2017 verlegt.

Herr Dr. Kreutzmüller, Lehrbeauftragter am Lehrstuhl von Professor Dr. Michael Wildt, referierte die Biographien der geehrten Opfer des NS-Regimes. Professor Wildt selbst war nicht anwesend, jedoch die Bearbeiterin des ersten Gutachtens an seinem Lehrstuhl, Frau Dr. Hörath.

Der Vortrag von Herrn Dr. Kreutzmüller war gelungen und angemessen. Zwar verbreitete auch er die unzutreffende Spekulationen des Gutachtens, dass Fischsilberperlen ein Luxusgut gewesen seien und auch die Zusammenhänge bei den Todesumständen von Hugo Heymann waren aus medizinischer Sicht bemerkenswert dargestellt. Es kann dem fachlich angesehenen Kollegen, der neben seiner Arbeit für Professor Wildt am Jüdischen Museum hervorragende und allseits gewürdigte Arbeit leistet, nicht zum Nachteil gereichen, den Stand des offiziellen Gutachtens zu referieren.

Dies geschah auch in Bezug auf den Grund, weshalb die Steine nicht vor der Villa der Familie Heymann verlegt wurden. Zur Erinnerung: Hugo Heymann wollte Deutschland verlassen, um der drohenden Herrschaft der NSDAP zu entgehen. Deshalb verschiffte er schon im Oktober 1932 eine Fischsilber-Perlen-Fabrik nach Norwegen. Möglicherweise, um diese hohen Kosten zu decken, nahm er eine Grundschuld auf jenes seiner drei Häuser auf, das als erstes verkauft werden sollte: Die Villa in Berlin-Dahlem. Im Gegensatz zu seinen zwei Miethäusern in Köln und Mannheim ist ein eigentlich nur für Eigennutzer sinnvolles Luxushaus langwieriger zu verkaufen. Dennoch verkaufte er es NACH dem für verfolgungsbedingte Enteignung bis heute rechtlichen gültigen Stichtag 30.01.1933. Danach ersannen die Nationalsozialisten immer neue Schikanen, um die Ausreise von Juden zu verhindern und plünderten sie durch immer neue Unrechtsgesetze aus. Hugo Heymann konnte nicht einfach ausreisen – er musste warten. Das tat er in einer Wohnung am Jüdischen Altersheim in der Berkaer Straße, bis sein Vermögen trotz aller seiner Verkäufe dahingeschmolzen war und er kurz vor der Ausreise stand, die er im Hotel abwartete. Von dort wurde er von der Gestapo zu Verhören abgeholt. Das Verbringen von Vermögensgegenständen ins Ausland war illegal – dazu gehörten auch Fabriken in Norwegen. Hugo Heymann starb an einer Herzschwäche, vermutlich zurückgehend auf eine Urämie, die er in Gestapohaft erlitten hatte. Nach der Verlegung war eine Diskussion geplant, die jedoch nur eine einzige Frage ermöglichte.

Die Stifter der Steine hatten in diesem Falle keinen Einfluss auf den Verlegeort. Die erfahrenen Historiker der Stolperstein-Initiative haben festgelegt, dass die Berkaer Straße der letzte freiwillig gewählte Wohnort war und darum vor der Villa der Familie Heymann keine Stolpersteine verlegt werden dürfen. Eine Verlegung an beiden Orten war nicht möglich.